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Unser Wald im Klimawandel: Retter und Opfer zugleich

Wälder haben viele wichtige Funktionen. Sie binden Kohlenstoff, erzeugen Sauerstoff, filtern das Wasser und bieten Tieren, Pflanzen und anderen Organismen einen Lebensraum. Natürlich profitiert auch der Mensch vom Wald: Als Quelle für die Holzproduktion und zur Energiegewinnung. Der Wald ist aber viel mehr als nur die Summe seiner Funktionen und Leistungen: Der Wald ist für die meisten Menschen auch ein Erholungs- und Sehnsuchtsort, an dem sie sich bei Bedarf auch zurückziehen können, um die Seele baumeln zu lassen oder einfach einmal „durchzuatmen“. Umso wichtiger ist sein Erhalt für uns alle, aber auch für kommende Generationen.

Experteninterview mit den Landesforsten Schleswig-Holstein

Im Interview mit Frau Julia Paravicini, der stellvertretenden Direktorin und Abteilungsleiterin Finanzen und Liegenschaften der Schleswig-Holsteinischen Landesforsten (SHLF), möchten wir einen Blick auf die aktuelle Situation in Deutschland werfen und beantworten spannende Fragen rund um unseren Wald und seine Bedeutung für das Klima.

Frau Paravicini, was sind die Aufgaben der Schleswig-Holsteinischen Landesforsten?

Julia Paravicini: Als FSC- und PEFC-zertifizierter Betrieb bewirtschaften die Schleswig-Holsteinischen Landesforsten bereits nachhaltig und naturnah nach strengen ökologischen und sozialen Maßstäben die ihnen anvertrauten Wälder. Dabei stellen wir sicher, dass weiterhin vielfältig strukturierte, stabile und leistungsfähige Mischwälder entstehen, in denen die Schutz-, Nutz- und Erholungsfunktionen für die Umwelt und nachkommende Generationen erhalten bleiben.

Der Wald ist derzeit in aller Munde. Wie geht es dem Wald in Deutschland?

Julia Paravicini: Das ist sehr unterschiedlich. Auch von Bundesland zu Bundesland.

Dort, wo Forstleute und Waldbesitzende bereits stabile, strukturreiche Mischwälder in den letzten Jahrzehnten aufbauen konnten, ist der Wald ganz gut gewappnet. Die Wälder der Schleswig-Holsteinischen Landesforsten beispielsweise sind bereits zu 89 % Prozent Mischwälder. Allerdings sieht es in vielen Nadelwäldern nicht gut aus, da der Klimawandel vor allem den Fichten und Kiefern zu schaffen macht. Die langen, trockenen und niederschlagsarmen Sommer in 2018 und in 2019 boten den Borkenkäfern in bereits geschwächten Bäumen optimale Brutmöglichkeiten. Um eine weitere Ausbreitung einzudämmen, mussten die betroffenen Bäume gefällt und aus dem Wald gebracht werden. Damit der Wald fit für die Zukunft wird, muss er vor allem widerstandsfähiger werden. Und das wiederum erreichen wir, wenn wir weiterhin auf klimastabile Mischwälder setzen und unsere Wälder entsprechend umbauen und aufforsten.

Was sind denn die größten Bedrohungen für unseren Wald?

Julia Paravicini: Generell kann man sagen: alles, was einen negativen Einfluss auf die Gesundheit und Vitalität der Bäume nehmen kann. Und dazu zählen viele Faktoren:

Luftverunreinigungen, Trockenheit, Baumkrankheiten, Borkenkäfer oder Schadereignisse wie Stürme und Schneebruch. Aber allen voran ist es derzeit der Klimawandel, der unseren Wäldern zu schaffen macht. Besonders deswegen, weil dessen Auswirkungen vergleichsweise rasch zunehmen und die Bäume sich überhaupt nicht an die neuen Herausforderungen anpassen können. Wenn die Umweltveränderungen das Anpassungsvermögen der Waldbestände überschreiten, leidet das gesamte Waldökosystem. Und genau um diesen Effekt zu minimieren, müssen wir den Wald dringend auf den Klimawandel vorbereiten.

Sollte man dann nicht besser auf Holznutzung verzichten, damit die Bäume CO2 speichern können?

Julia Paravicini: Das ist leider ein Irrglaube! Dass Wälder CO2 speichern, ist sicher ein Beitrag, den sie zur Klimarettung leisten. Man spricht vom so genannten Waldspeicher. Wenn der Baum vergeht und verrottet, setzt er das gespeicherte CO2 wieder frei.

Das kann man verhindern, indem man den Baum rechtzeitig fällt und das Holz in langlebigen Produkten verbaut. Das ist ein weiterer Beitrag, der so genannte Produktspeicher. An der Stelle des gefällten Baumes wächst ein neuer Baum, der wiederum CO2 speichert. Wälder, die forstwirtschaftlich genutzt und gepflegt werden, senken also den CO2-Gehalt der Luft wesentlich mehr als Wälder, die nicht genutzt werden. Mit den Holzprodukten ersetzt man darüber hinaus auch andere Produkte, deren Herstellung viel Energie verbraucht und das Klima belastet.

Wie passen aber Forstwirtschaft und Naturschutz zusammen? Beißen sich diese beiden Interessengebiete eigentlich nicht gegenseitig?

Julia Paravicini: Ich kann diese Frage selbstverständlich nur für die Schleswig-Holsteinischen Landesforsten beantworten, aber nein, sie schließen sich nicht aus. Der Erhalt und die Erhöhung der Biodiversität, der Wasser-, Klima- und Lärmschutz sowie die Erholungsfunktionen gehen in der naturnahen und multifunktionalen Waldbewirtschaftung der SHLF Hand in Hand mit einer nachhaltigen Nutzung. Bei uns gibt es darüber hinaus auch Wälder und Schutzgebiete mit unterschiedlich strengem Schutzstatus und mit unterschiedlichen Schutzzielen. Zum Beispiel Naturwälder, die komplett aus der forstlichen und jeder anderen Nutzung genommen und sich selbst überlassen sind. Sie machen in den Schleswig-Holsteinischen Landesforsten 10 Prozent aus und entwickeln sich zu einem, wenn Sie wollen, Urwald aus zweiter Hand! Auch die in den bewirtschafteten Wäldern geschützten Biotopbäume (sogenannte Habitatbäume) und Biotope (z.B. Moore oder Binnendünen) sind weitere Beispiele für geschützte Bereiche innerhalb der SHLF. Sie sehen, eine nachhaltige Forstwirtschaft und Naturschutz müssen sich nicht gegenseitig ausschließen.

In letzter Zeit wird gefühlt vermehrt versucht, mit Aufforstungen dem Klimawandel zu begegnen. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einer Erst- und einer Wiederaufforstung?

Julia Paravicini: Bei einer Erstaufforstung spricht man von einer erstmaligen Aufforstung von bisher nicht forstwirtschaftlich genutzten Flächen. Eine Wiederaufforstung bedeutet, dass das Anpflanzen von Bäumen oder die Aussaat von Samen mit dem Ziel einer Wiederbewaldung stattfindet. Dies geschieht oft, um eine frühere, durch z.B. Abholzung oder Sturmschäden verschwundenen Bewaldungsfläche wiederherzustellen.

Warum dauern Erstaufforstungen so lange?

Julia Paravicini: Grund für den langsamen Prozess ist die Tatsache, dass es nur eine sehr begrenzte Verfügbarkeit freier, aufforstungsfähiger Flächen gibt. Zudem ist auch der Genehmigungsprozess mit den zuständigen Behörden langwierig und ohne Genehmigung darf kein Wald entstehen. Zwar kann bis auf wenige Ausnahmen theoretisch überall Wald entstehen, allerdings ist immer zu prüfen, ob alle Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

Wie kann man sich persönlich für den Wald stark machen?

Julia Paravicini: Einerseits durch ein umweltbewusstes Handeln, indem man seinen persönlichen Lebensstil umweltfreundlicher gestaltet, anderseits indem man sich zum Beispiel fürs Pflanzen von Bäumen stark macht. Das kann zum Beispiel durch Spenden der Fall sein oder proaktiv bei Organisationen, die Pflanzungen vornehmen.

Herzlichen Dank für das spannende Interview!

Julia Paravicini: Gern geschehen.

Es ist letztlich eine logische Schlussfolgerung, dass der Wald nicht nur gerettet werden muss, sondern auch zusätzlich gepflanzt werden muss. Wenn Sie sich auch für den Klimaschutz stark machen wollen, pflanzen Sie doch einen Baum. Erfahren Sie mehr über unser Waldpflanzprojekt .